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Wirtschaft Zukunft des Mittelstands

Zehntausende Firmen bald ohne Eigentümer? Deutschlands großes Nachfolge-Problem

Wirtschaftskorrespondent
Mit seinem Start-up Tradineo will Tobias Zimmer Nachfolger an mittelständische Betriebe vermitteln Mit seinem Start-up Tradineo will Tobias Zimmer Nachfolger an mittelständische Betriebe vermitteln
Mit seinem Start-up Tradineo will Tobias Zimmer Nachfolger an mittelständische Betriebe vermitteln
Quelle: Tradineo
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Zahlreiche deutsche Mittelständler stehen in den nächsten Jahren vor der Firmen-Übergabe, zuletzt kamen drei Unternehmen auf nur einen potenziellen Nachfolger. Durch die vielen Krisen dürfte sich die Lage sogar noch verschärfen. Eine Firma will das wachsende Problem jetzt lösen.

Worum geht es

Tobias Zimmer ist noch weit entfernt vom Rentenalter. Mit 37 Jahren hat der Unternehmer nicht einmal die Hälfte seines Berufslebens hinter sich. Dennoch beschäftigt sich der Westfale schon jetzt mit dem Thema Arbeitsende. Zimmer, der bereits mehrere Firmen gegründet hat, darunter das Franchise-Konzept Coffee-Bike mit mobilen Kaffee-Fahrrädern, wird regelmäßig damit konfrontiert.

Mehr als einmal ist ihm die Nachfolge in anderen Unternehmen angetragen worden, zuletzt erst von einem seiner Lieferanten. Die zusätzliche Verantwortung hat er bislang stets abgelehnt, der Moment habe einfach nie gepasst, sagt Zimmer. Die Anfragen haben ihn aber dazu gebracht, über die Nachfolgefrage nachzudenken – und ein Geschäftsmodell daraus zu machen.

Zimmer hat Tradineo gegründet, ein Start-up, das die in vielen mittelständischen Unternehmen schwelende Übernahmefrage lösen will. Der Name ist ein Kunstwort aus „Tradition“ und dem griechischen Begriff „neo“ für „neu“. Die Schwierigkeiten kleiner und mittelgroßer Firmen, Interessenten für die Übernahme an der Spitze zu finden, sind groß – und nehmen mit jedem Jahr zu.

Bis 2026 stehen fast 200.000 Unternehmen vor der Übergabe, weil die Eigentümer das Rentenalter erreichen. Das betrifft vor allem das produzierende Gewerbe und den Bereich unternehmensnahe Dienstleistungen, also etwa Handel, Kommunikation, Verkehr, Finanz- und Versicherungswesen oder Leiharbeit, wie eine Untersuchung des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) aus dem vergangenen Jahr zeigt.

Diese Zahlen dürften aber das eigentliche Ausmaß noch gar nicht widerspiegeln. Darauf jedenfalls lassen aktuelle Beobachtungen des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) schließen. „Die sich kumulierenden Krisen haben deutliche Auswirkungen auf die Unternehmensnachfolge im Mittelstand“, sagt Marc Evers, Referatsleiter Mittelstand, Existenzgründung, Unternehmensnachfolge beim DIHK.

Er nennt hier sowohl die Corona-Pandemie als auch die Inflation, Lieferkettenprobleme und hohe Energie- und Rohstoffkosten. „Diese schwierige Gemengelage lässt viele ans Aufhören denken“, erklärt Evers. Darauf deuteten Rückmeldungen der örtlichen Industrie- und Handelskammern (IHK) hin. Deutschlandweit berichteten sie von einer stark steigenden Zahl an Beratungsanfragen, allen voran aus den Bereichen Gastronomie, Handel und Dienstleistungen.

Quelle: Infografik WELT

Dabei gibt es bereits jetzt zu wenig potenzielle Nachfolger. „2021 hatten wir in der IHK-Beratung fast dreimal so viele Nachfolgeunternehmen wie Übernahmeinteressenten, im Handel waren es sogar viereinhalbmal so viele“, sagt DIHK-Experte Evers. „Und 2022 dürfte sich dieses Missverhältnis noch weiter verschlechtert haben.“

Wer außerhalb der eigenen Familie suchen muss, wird meist nicht sofort bei den Industrie- und Handelskammern vorstellig. In der Regel wenden sich Unternehmer zunächst an die Führungsriege der eigenen Belegschaft oder an Wettbewerber. Regionale Netzwerke, Online-Plattformen, professionelle Vermittler und Beteiligungsgesellschaften unterstützen dabei. Und nun auch Tradineo.

Ziel ist laut Firmengründer Zimmer, mittelständische Betriebe zu kaufen, bei denen es keinen Nachfolger gibt, und diese dann fortzuführen – ohne Ausstiegsszenario und Laufzeitende, wie es bei Finanzinvestoren üblicherweise der Fall ist. „Permanent Equity statt Private Equity“, sagt Zimmer. „Wir haben geduldiges Unternehmerkapital, mit dem wir den Mittelstand stärken wollen.“

Quelle: Infografik WELT
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Das Geld stammt zum einen von ihm selbst, von Unternehmern aus dem Großraum Osnabrück – wo Zimmers eigene Firmen angesiedelt sind – sowie von etablierten Mittelständlern aus den benachbarten Regionen Münsterland und Ostwestfalen. Diese Geldgeber, die allesamt nicht genannt werden wollen, stehen dann jeweils auch als stille Berater zur Verfügung.

Ins Suchprofil von Tradineo gehören Firmen ab 20 Mitarbeitern und mit einem Vorsteuergewinn zwischen 500.000 und fünf Millionen Euro. „Wir suchen bewusst keine Sanierungsfälle, dafür gibt es andere Spezialisten“, erklärt Zimmer. Einen bestimmten Branchenfokus gebe es nicht.

„Der Zulauf ist groß“

An den Markt gegangen ist das Start-up im September. Auf die erste Übernahme wartet das dreiköpfige Management-Team noch. Beunruhigt ist Zimmer deswegen aber nicht, wie er sagt. „Der Zulauf ist groß, wir scheinen einen Nerv getroffen zu haben“, berichtet der Finanz- und Marketingexperte.

Gut 300 Firmen habe er sich mittlerweile angeschaut, mit einigen liefen derzeit aussichtsreiche Gespräche. Den ersten Abschluss erwartet Tradineo für das erste Quartal dieses Jahres. Druck werde nicht ausgeübt. „Ein solch sensibles und emotionales Thema wie Nachfolge, bei dem es ja auch um Lebenswerke geht, braucht Zeit.“

Auch DIHK-Mann Evers weiß, wie heikel es für viele Unternehmer ist, die Firmenspitze in die Hände anderer zu geben. „Gut einem Drittel der Altinhaber fällt es schwer, von ihrem Lebenswerk emotional loszulassen“, berichtet der Nachfolgeexperte. Viele forderten daher einen überhöhten Kaufpreis.

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„Auf der anderen Seite sitzen aber oftmals Partner, für die eine Unternehmensnachfolge eine finanziell große Herausforderung ist.“ Angesichts der aktuell steigenden Zinsen werde diese Hürde für mögliche Interessenten sogar noch höher. „Die Finanzierung bleibt der Dreh- und Angelpunkt bei der Unternehmensnachfolge im Mittelstand“, stellt Evers fest. Bei vielen Unternehmen seien zudem Folgeinvestitionen notwendig, zum Beispiel in die Digitalisierung.

So kommt es, dass bereits als sicher eingeplante Deals teilweise wieder platzen. „Wir erleben derzeit, dass Unternehmer auf uns zukommen, denen unser Angebot nicht hoch genug war, deren stattdessen ausgewählter Partner dann aber die Finanzierung nicht schafft“, berichtet Start-up-Gründer Zimmer. Die Kaufpreise ließen mittlerweile schon „spürbar nach“.

Idealerweise ist für eine geregelte Übergabe mehrere Jahre Zeit

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Firmeninhaber sollten daher aus Sicht des DIHK für eine Übergabe gut vorbereitet sein. „Es ist wichtig, schon sehr frühzeitig und ganz nüchtern die Chancen und Herausforderungen des Unternehmens jetzt und vor allem perspektivisch in den Blick zu nehmen, rechtzeitig zu digitalisieren, zu modernisieren und die Nachfolgesuche zu starten“, sagt Referatsleiter Evers.

„Etwa drei bis zehn Jahre im Voraus sollten die Inhaber gemeinsam mit dem Team beginnen, ein Unternehmen fit für die nächste Generation zu machen.“ Ähnliche Zeitspannen nennen auch professionelle Unternehmensmakler und -broker wie die auf kleine Mittelständler spezialisierte Kern-Gruppe, die mit Tradineo zusammenarbeitet. Häufig passiere das aber nicht.

Quelle: Infografik WELT

Verschleppte Vorbereitungen, das Hinauszögern von Entscheidungen – und dazu kommt eine zunehmend zurückhaltende jüngere Generation, was das Unternehmertum angeht. Das betrifft nicht nur die Nachfolge in Firmen. „Grundsätzlich fehlt es an gründungswilligem Nachwuchs“, erklärt zum Beispiel das Landeswirtschaftsministerium in Sachsen.

Gründe hierfür seien die jahrelange Abwanderung jüngerer qualifizierter Fachkräfte aus dem Osten Deutschlands, der allgemeine Trend zu weniger Existenzgründungen, eine Verschiebung von stationären zu digitalen Geschäftsmodellen sowie veränderte Lebensplanentwürfe, Stichwort Work-Life-Balance. Die Schwierigkeiten gibt es nicht nur in Sachsen – in vielen anderen Bundesländern sieht es kaum besser aus.

„Viele haben das gar nicht auf dem Schirm“

Allerdings sehen Firmenchef Tobias Zimmer ebenso wie die Experten der Kern-Gruppe ein Potenzial, das derzeit bei Weitem noch nicht ausgeschöpft werde. Zimmer ermutigt Gründungswillige, sich mit dem Thema Nachfolge im Mittelstand zu beschäftigen, anstatt das sechste oder siebte Start-up für bereits bestehende Ideen an den Markt bringen zu wollen.

„Viele haben das gar nicht auf dem Schirm“, so seine Erfahrung. Dabei sei eine Übernahme oft sogar risikoärmer als eine Neugründung, schließlich gebe es bereits gewachsene und erprobte Strukturen in den Firmen.

Um eine drohende Unternehmerknappheit zu vermeiden, sieht der DIHK auch den Gesetzgeber in der Pflicht. „Die Politik muss dringend gegensteuern und darf den Mittelstand jetzt nicht noch mit weiteren Richtlinien, Gesetzen und Vorschriften belasten“, fordert Präsident Peter Adrian. „Je leichter es Nachfolgern gemacht wird, ein Unternehmen zu führen, desto leichter lassen sich geeignete Führungskräfte für die Nachfolge finden.“

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